ZitatPharaonen in Brandenburg Mumien aus Europa werden erstmals untersucht Von Matthias Hennies Im alten Ägypten glaubte man, ein Leichnam müsste möglichst perfekt konserviert werden, damit er im Jenseits weiterleben könnte. Diese Vorstellung ist dem christlichen Europa fremd - trotzdem begann man hier ab dem 14. Jahrhundert, Tote zu mumifizieren: Zuerst Päpste, Kaiser und Fürsten, dann immer mehr wohlhabende Bürger. Berühmt ist die Kapuzinergruft in Wien: Dort ließen sich über Generationen hinweg die Herrscher aus dem Haus Habsburg bestatten. In den prunkvollen Särgen blieben ihre Körper erhalten, als Mumien. Das war kein Zufall: Man hat die Toten bewusst konserviert. Wie im Alten Ägypten wurden die inneren Organe entnommen und die Gruft ist so gebaut, dass immer ein Luftzug hindurchgeht.
Beide Maßnahmen haben dasselbe Ziel: Sie entziehen dem Leichnam die Feuchtigkeit - und wenn er trocknet, bleiben nicht nur die Knochen des Toten erhalten, sondern er wird zur Mumie.
"Wir verstehen unter einer Mumie einen Körper eines Lebewesens, wo nicht eben nur Knochen erhalten sind, sondern auch Weichteile, das heißt, Muskulatur, Haut und/oder Haare."
Dr. Wilfried Rosendahl ist Mumienexperte bei den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. Er ist erstaunt, wie viele Gewölbe unter europäischen Kirchen so gebaut sind, dass die Bestatteten darin mumifiziert werden - längst nicht nur die Kapuzinergruft in Wien.
"Es waren vor allem gut betuchte Bürger, die sich im kirchlichen Umfeld haben in Grüften bestatten lassen oder eben die Fürsten- oder Adelsgrüfte, wo sich die hochstehenden Persönlichkeiten ihre eigenen Adelsgrüfte geschaffen haben. Ein schönes Beispiel ist die Familiengruft der Familien von Crailsheim in Sommersdorf bei Ansbach, wo wir auch aktiv forschen. Da haben sich die Vorfahren der Familie von Crailsheim ihre Gruft bauen lassen und sich bestatten lassen und dort sind die Körper auch mumifiziert."
Kaum jemand weiß, dass die Mumifizierung mächtiger oder wohlhabender Persönlichkeiten in Europa fast so verbreitet war wie im Alten Ägypten. Rosendahl und seine Kollegen versuchen erstmals einen Übersicht zu bekommen, wie und warum diese Sitte so beliebt war.
In Italien setzte der Boom in der Renaissance ein. Im 14. Jahrhundert ließen sich die Medici - allmächtige Stadtherren von Florenz und Herzöge der Toskana - eine große Familiengruft bauen. Warum wurde es auf einmal wichtig, nicht nur die Erinnerung, sondern auch die Körper der Vorfahren zu bewahren? Der Religionswissenschaftler Reiner Sörries, Professor an der Universität Erlangen, stellt erste Thesen auf:
"Es hat was mit einem neuen Menschenbewusstsein zu tun, einem Erstarken des Bewusstseins der Individualität, was eben in der Renaissance wurzelt und sich dann in die Barockzeit fortsetzt, deswegen haben wir eben nicht nur in Deutschland diese protestantischen Mumien und Kirchengrüfte, sondern wir haben dasselbe Phänomen etwa auch schon bei den Medici in Florenz, in Sizilien, wir haben das